Perfektionismus lass nach!
Wie du es schaffst dir selbst weniger im Weg zu stehen
Vielleicht kennst du Situationen, in denen du das Gefühl hast deinen eigenen Ansprüchen einfach nicht gerecht zu werden und dich daraufhin selbst verurteilst. Du investierst wahnsinnig viel Zeit und Energie und sitzt bis zum letzten Moment am Feinschliff. Wiederum kann es auch gut sein, dass du mittlerweile gar nicht erst ins Machen kommst, weil du nicht daran glaubst ein gutes Ergebnis zu erzielen. Du denkst dir: Warum überhaupt starten?! Was für ein grandioser Teufelskreis aus Druck, Ansprüchen, Antreiben, Fehlervermeidung und im schlimmsten Fall Ergebnislosigkeit.
Tja das ist so eine Sache mit dem Perfektionismus. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich habe eine perfektionistische Seite an mir. Es ist eine Seite, die den Anspruch hat „perfekt sein zu wollen“. Ein hehres Ziel! Wie oft habe ich mir früher gewünscht, dass dieser Perfektionismus endlich weg geht und mich in Ruhe lässt und die zahlreichen Hürden, die ich mir dadurch im Alltag selbst gestellt habe, wegfallen. Schön wär’s! Mein Erfolgsrezept ist da eher ein besserer Umgang mit mir selbst und in diesem Fall meiner perfektionistischen Seite. Sie hat ja ein ganz eigene Agenda und die gilt es in Bahnen zu lenken. So kann eine wunderbare Co-Existenz sich etablieren. Spannende Fragen dabei sind: Wie viel Raum gebe ich ihr? Wie schaffe ich es sie zu besänftigen?
Es muss ganz und gar nicht immer krampfig und destruktiv sein. Stattdessen darf zum Beispiel ein Projekt auch ganz ohne Leidensdruck leicht, im Flow und mit der Offenheit für Fehler passieren. Schau im folgenden einfach mal für dich, was mit dir in Resonanz geht und funktionieren könnte.
1. Wie du herausfindest, dass du eine perfektionistische Seite hast
Es mag sein, dass das ständige Leben mit Druck, hohen Ansprüchen, einem Hang zum Kontrollieren und das Phänomen gar nicht erst ins Machen zu kommen für dich völlig normal scheint. Das heißt dir ist vielleicht bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass du in vielen Fällen perfektionistisch unterwegs bist. Die typischen Merkmale für eine perfektionistische Seite sind u.a. folgende:
- Du machst dir (und anderen) einen ziemlichen Druck und hast ungemein hohe Ansprüchen, die du dir selbst (und anderen) setzt. Du kannst genau aus diesem Grund oftmals gar nicht den Abschluss finden und tendierst dazu immer und immer wieder 150% zu geben. Es muss ja alles „richtig“ und „nach Plan“ laufen.
- Du überprüfst Dinge lieber mehrmals um sicherzugehen, dass sich keine Fehler einschleichen. Nicht selten machst du die Dinge dann lieber selber, weil du dann sicherstellen kannst, dass alles deinen Vorstellungen entspricht.
- Du fängst manche Dinge gar nicht erst an, weil du weißt, dass sie eh nicht gut genug werden. Du kommst also nicht in Handeln, weil du deiner Meinung nach Gefahr läufst Fehler zu machen.
Vielleicht trifft das ein oder andere Merkmal ja auf dich zu?! Wenn ja, dann gibt es nun spannende Insights und aller Hand Tipps und Tricks für dich, um einen besseren Umgang mit deinem Perfektionismus zu etablieren.
2. Warum du perfektionistisch handelst
Perfektionismus findet sich in vielen Bereichen des Lebens, wie z.B. im Job, in der Partnerschaft, im Umgang mit (den eigenen) Kindern, in der Freizeitgestaltung und und und. Daher hat es auch nicht selten einen wahnsinnigen Einfluss auf die Qualität deines Lebens und deine generelle Lebensbalance.
In der Essenz fußt Perfektionismus auf einem mehr oder weniger geringen Selbstwertgefühl. Dies paart sich mit Gedanken, wie „Ich bin nicht richtig“ und „Ich bin nicht gut genug“. Perfektionismus ist quasi deine Strategie um dein Selbstwertgefühl zu erhöhen. Folglich wird der eigene Maßstab dann: alles richtig machen um ja nicht angreifbar zu werden, denn so wirst folgt Erkennung und Liebe. Es manifestiert sich der Gedanke: Keine Fehler = nicht angreifbar und Fehler = angreifbar. Sehr häufig liegt der Ursprung für diese Strategie in der eigenen Kindheit bspw. durch alte Verletzungen, Ziehen von eigenen Schlüssen aus der Interaktion mit Erwachsenen und womöglich auch der Konfrontation mit „perfektionistischen“ Menschen in deinem engeren Umfeld. Als Kind werden wir enorm geprägt, von dem was wir im Außen erfahren und dies wiederum hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung der eigenen Strategien.
3. Was du davon hast perfektionistisch zu handeln
Hinter deinem perfektionistischen Handeln steckt ganz klar eine positive Absicht. Du willst dir also gar nicht böses – ganz im Gegenteil! Neben all den negativen Aspekten, die dir vielleicht im Alltag zu Genüge auffallen ist das die andere Seite der Medaille.
- Genauigkeit: Durch deine perfektionistische Seite gehst du möglicherweise mit einem wahnsinnig hohen Maß an Genauigkeit vor. In vielen Branchen wie bspw. dem Bankwesen und den handwerklichen Tätigkeiten ist das von enormem Vorteil.
- Ehrgeiz, Veränderung & Höchstleistung: So kann es auch sein, dass du durch deinen Ehrgeiz einen Turbogang in deinem Motor für Veränderung anschalten kannst und dadurch immer wieder tolle Ergebnisse und Ziele erreichst. Wenn dies für dich zutrifft dann ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt einmal kurz Innezuhalten und dein Erreichen von Höchstleistungen ganz bewusst für dich wahrzunehmen. Klopf dir dafür gerne selbst auf die Schulter!
- Anerkennung, Wertschätzung & Respekt: Genau diese Höchstleistungen sind es vielleicht auch, die dir von den Menschen im Außen eine Riesenportion Anerkennung, Wertschätzung und Respekt entgegen bringen. Also auch in dieser Hinsicht zahlt sich die Strategie der perfektionistischen Seite vollkommen aus.
- Kontrolle & Sicherheit: Wenn du nur alles perfekt planst und überblickst, dann wird auch ja nichts schiefgehen oder womöglich sich so entwickeln wie du das ganz und gar nicht ertragen kannst. So oder ähnlich könnte ein Gedankengang lauten. Also lieber festhalten und das Gefühl haben alles in der Hand zu haben. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn 100% Kontrolle und Sicherheit gibt es einfach nicht.
- Schutz: Die Angst vor Verletzung, Zurückweisung und Ablehnung hat ein klares Ziel: dich zu schützen. So führt sie zu der Haltung „Ich möchte alles perfekt machen“. Dein Perfektionsstreben ist dafür da es allen anderen Recht zu machen und damit bloß mit niemandem anzuecken. Auch hier leider liegt ein Irrtum vor. Das Verhalten von anderen ist nicht beeinflussbar, und so kannst du trotz all deiner Bemühungen Ablehnung und Verletzung erfahren.
Du siehst also, wenn auch der ein oder andere Irrtum vorliegt, so bringt dein perfektionistisches Handeln enorme Gewinne mit sich. Es ist total wichtig dir bewusst zu sein, was dir dadurch auch alles ermöglicht wird und wie es dich als Person in deinem Sein und Handeln prägt.
4. Welchen Preis du oftmals dafür zahlst
Die wichtige Frage, die du dir stellen darfst ist: Wie groß ist dein tatsächlicher Leidensdruck? Wenn dieser gar nicht so groß ist, dann gibt es keinen so triftigen Grund etwas für dich zu verändern. Es kann jedoch sein, dass du im Alltag von deiner perfektionistischen Seite ziemlich gebeutelt wirst. Folgende Phänomene mögen dir vielleicht bekannt vorkommen:
- Kraft & Energie: Du fühlst dich ständig ausgelaugt, ob nun am Anfang bei der Erledigung einer Aufgabe oder mitten im Prozess. Oftmals ist auch gar kein richtiges Ende in Sicht und so gehst du eindeutig über deine körperlichen Kräfte und Grenzen.
- Druck: Der Druck, den du dir machst, färbt bereits auf deinen Körper ab. Du hast körperliche Symptome wie Magenschmerzen, Verdauungsbeschwerden, Verspannungen im Nacken und Schulterbereich bis hin zu Kopfschmerzen.
- Frustration: Du hast das Gefühl deinen eigenen Ansprüchen nie gerecht zu werden und stehst ständig unter Anspannung. Der Blick geht dabei fast immer nach Außen und auf das, was die anderen von dir denken mögen. Du bist in ständiger Alarmbereitschaft während du versuchst es allen Recht zu machen – gefühlt ein Ding der Unmöglichkeit. Dein Frustrationslevel steigt dabei ins Unermessliche!
- Langsamkeit: Du brauchst tatsächlich viel viel länger für Dinge als wenn du im Flow arbeitest. Vielleicht geht es sogar so weit, dass du wichtige Deadlines verpasst, weil du einfach nicht fertig wirst und extra Zeit erbeten musst, um in einer Nacht-und-Nebel-Aktion irgendwie mit Ach und Krach fertig zu werden.
- Prokrastination: Du kommst gar nicht erst aus dem Quark und stattdessen hast du die Projekt wenn nur im Kopf bis ins Detail ausgesponnen und gedanklich vorbereitet. Ins Machen kommst du dabei leider so gar nicht und schwups beginnt das Zweifeln an der eigenen Kompetenz, weil ja immer noch nichts zu Papier gebracht wurde. Es ist auch nach Tagen oder Wochen immer noch kein Mehrwert oder erstes Teil-Ergebnis sichtbar.
- (Selbst-)Destruktion: Die Selbstzweifel an dir und deinem Können steigen und du tendierst dazu dich selbst abzuwerten. Du gehst mit dir sehr hart ins Gericht und verläufst dich in negativen Gedankenschleifen. Die Abwertung und Beurteilung kannst du auch bei anderen an den Tag legen, wenn diese nicht nach deinen Erwartungen agieren.
- Umfeld: Dein Perfektionismus hat nicht nur Auswirkungen auf dich, sondern ebenso auf Freunde, Familie und Co. Sie spüren bspw. deine geringe Fehlertoleranz und deine schnelle Enttäuschung, wenn die Dinge sich nicht so entwickeln wie du es dir vorstellst.

5. Wie du es schaffst dir selbst weniger im Weg zu stehen
Nun zeige ich dir wie du einen besseren und liebevollen Umgang mit deinem Perfektionismus kreieren kannst. Du bist so viel mehr als deine perfektionistische Seite und so liegt es in deiner Hand die Tipps für dich im Alltag auszuprobieren. Experimentieren, erleben und für dich anpassen ist mehr als erwünscht, denn es geht ja um DICH und es gibt kein Patentrezept!
Die oben angesprochenen Gewinne sollen hier natürlich nicht auf der Strecke bleiben, sondern vielmehr neue hinzubekommen und den Leidensdruck peu-à-peu abbauen.
Tipp #1: Optimistisch den Alltag bestreiten! Ab heute bin ich nett zu mir
Die missratenen Dinge im Alltag, die verpassten Chancen, die verpatzten Situationen lassen sich einfach nicht mehr ungeschehen machen. Der Zug ist weg. Der Kuchen verbrannt. Das Kundentelefonat verbockt. Wieso also lange Trübsal blasen und unnötig Vorwürfe machen. Viel wichtiger: Was hast du für dich aus diesen Momenten lernen können? Und wie würde ein gute Freundin mit dir sprechen? Warmherzigkeit und Verständnis stehen hier an erster Stelle und bilden ein wunderbares Gegengewicht zu der innerlichen Schwere im Kopf. Gar nicht so einfach? Tagtägliches Üben ist wichtig und ratsam.
Tipp #2: Vogelperspektive einnehmen! Raus zoomen und Überblick behalten
Wie du weißt geht mit einem Perfektionsstreben oft ein wahnsinniger Zeitinvest einher. Es geht ja darum ALLES perfekt zu machen, also kommt es auf das kleinste Detail an. Also den Spieß umdrehen: Statt klein klein Immer mal wieder ganz bewusst raus zoomen und die derzeitige Situation von Außen betrachten – eben aus der Vogelperspektive. So kannst du für dich das große Ganze nicht aus den Augen verlieren und dich fragen: Ist das woran ich gerade sitze tatsächlich wertstiftend und wichtig oder verlaufe ich mich gerade in viel zu unwichtigen Details, die am Ende keiner außer mir wahrnimmt? Was würdest du einem Freund raten, wenn er in deiner Situation stecken würde?
Tipp #3: Realistisch bleiben! Machbar oder schon vorher zum Scheitern verurteilt?
Die perfektionistische Seite an dir liebt es sich hohe Ziele zu stecken, denn natürlich sind die eigenen Ansprüche hoch. Also lieber: Vor einem neuen Vorhaben die „Realisten-Brille“ aufsetzen und vor allem aus den Learnings von #1 und #2 eine erneute Zieleinschätzung machen. Wo kannst du vielleicht mal ganz bewusst 90% Energie reinstecken und nicht die sonstigen 150%? Du wirst überrascht sein: So kannst du deine eigenen Erwartungen viel eher übertreffen und ganz beschwingt merken, dass es sogar mit viel geringerem Energie- und Zeitinvest klappt.
Tipp #4: Du bist einzigartig – deine Talente im Fokus!
Der Blick nach Außen zeigt dir, dass die liebe Freundin, die nette Kollegin, die zuvorkommende Nachbarin kreativer, sportlicher, belastbarer, … sind als du? Was hilft dir das? Dieses ewige Vergleichen links und rechts ist völlig bedeutungslos und baut einen unnötigen Druck auf. Viel eher: Was sind deine Stärken und Talente? Worauf bist du ganz besonders stolz? Wahre für dich die Schönheit von Kratzern und Rissen – sie machen dich erst einzigartig. Du bist nicht die anderen, die anderen sind nicht du. Und das ist auch ganz gut so. Nicht vergessen: den anderen geht es oft ebenso wie dir, warum also nicht dich authentisch so zeigen wie du bist. Wir sitzen alle im gleichen Boot und dürfen viel gelassener damit umgehen.
Tipp #5: Scheitern umarmen lernen statt was wäre wenn!
Deine größte Angst ist das Scheitern, was auch immer das für dich heißen mag. Und um genau dies nicht geschehen zu lassen, setzt du Himmel und Hölle in Bewegung und gehst über deine Grenzen. Aber weißt du was: Was ist denn das Schlimmste was passen könnte? Und wie ginge es dann weiter? Bei Tageslicht betrachtet hält sich der mögliche „Schaden“ dann oft in Grenzen. Die diffusen Sorgen werden zu einem beherrschbaren Szenario. Somit ermuntere ich dich kleinere Fehler machen zu lernen – frei nach dem Motto “Mut zur Lücke”. Schick also die Mail nicht erst nach 5-maligem Gegenlesen raus, sondern direkt nach 2-maligem, denn was kann schon passieren, mal ehrlich?!
Viel Freude und Leichtigkeit beim liebevollen Umarmen deiner perfektionistischen Seite. Sie ist ein Teil von dir und du hast es in der Hand wie viel Raum sie einnimmt.
Voller Energie das Leben lieben!
Deine Hanna Gesine